KM 8704 | Auf Wiedersehen Russland! Die letzte Etappe führt mich auf einer Schotterpiste nach Chuschir auf die Insel Olchon. Die Insel zählt zu den schönsten Orten am Baikalsee, wenige Kilometer östlich davon ist der See 1642 Meter tief. Kein See der Welt ist tiefer. Ein fünftel des weltweiten Süßwasservorkommens ist hier gespeichert und es gibt 1000 Tierarten, die nur hier vorkommen. Darunter auch die einzige Süßwasserrobbe überhaupt. Auf Olchon gibt es so etwas wie Tourismus, aber aufgrund der Größe der Insel findet man trotzdem immer einen einsamen Zeltplatz am Ufer. Die Luft ist diesig und die Fernsicht verschlechtert sich immer mehr. Zunächst denke ich an ein Wetterphänomen, aber irgendwann riecht man es dann und ein LKW-Fahrer bestätigt mir es: Es ist Rauch. Im Rajon Kachug brennt die Taiga und der Wind trägt den Rauch aus fünfzig Kilometern bis hier her! Zusammen mit dem Staub der Straße, entsteht eine unwirkliche Stimmung auf der ganzen Insel und das Atmen fällt zunehmend schwer. Trotz dass keine Wolke am Himmel ist, gibt es keinen Schattenwurf durch die Sonne. Die letzten drei Wochen hat es keinen Tropfen geregnet und welches Ausmaß die Brände haben, kann mir niemand sagen. Es ist unmöglich, dem Rauch zu entfliehen. Trotzdem habe ich Riesenglück, dass mein Aufenthaltsort nicht direkt vom Feuer betroffen ist.
In Chuschir gibt es viele Privatunterkünfte und kleine Hotels. Man kann Quads und Fahrräder mieten oder eine Spritztour mit dem Motorboot auf dem Baikalsee machen. Für die Touristen gibt es hier sogar gebrühten Kaffee. Normalerweise gibt es in ganz Russland nur Instant-Kaffee, deshalb habe ich mich schon lange an Tee mit Milch gewöhnt.
Nördlich des Ortes befindet sich auch das wahrscheinlich meistfotografierte Motiv am Baikal: Der Schamanenfelsen. Nach dem Glauben der Burjaten wohnt an diesem Ort ihr wichtigster Gott.
In Olchon plane ich als Abschluss zwei Tage Urlaub vom Radfahren ein. Leider breche ich aber schon nach dem ersten Tag wieder auf : Zum einen ist durch den Rauch die Luft sehr schlecht, zum anderen erreicht mich von meiner Fluggesellschaft “Siberian Airlines” eine schlechte Nachricht: Der Flug sei voll ausgebucht und für mein angemeldetes Fahrrad als Sperrgepäck gebe es keinen Platz mehr. Um eine alternative Transportmöglichkeit zu finden, benötige ich eine gute Internetverbindung. Außerdem eine Steckdose, um das Smartphone zu laden, da dies mit dem Dynamolader ja nur während der Fahrt funktioniert. Ich will mir deshalb in meinem Abflugsort Irkutsk ein Hotel suchen. Während der 350 Kilometern langen Radfahrt nach Irkutsk lichtet sich der Rauch glücklicherweise etwas. Die Strecke ist wenig interessant und nach dem Abschied vom Baikal fällt es mir schwer, mich für diese Strecke mit dem Ziel “Flughafen” zu motivieren. Eine nette Begegnung habe ich dann mit diesen zwei etwas durchgeknallten Koreanern: Sie sind mit ihren Motorrollern von Südkorea unterwegs auf die Insel Olchon. Ich hätte gerne gemeinsam mit ihnen eine Nacht gezeltet, aber ihr straffer Zeitplan lässt es leider nicht zu. Ihre russischen Sprachkenntnisse reichen nicht über “Guten Tag” und “ja/nein” hinaus, und ich verstehe die Worte auch nur, weil sie mir diese hinterher auf englisch erklären.
Dann freue mich über eine SMS von Vitali: Er hat für mich eine Übernachtungsmöglichkeit in Irkutsk. Vitali ist einer der wenigen russischen Tourenradfahrer und ist ein sehr fröhlicher Mensch. Er führt mich auf seine Datscha und ich staune, was er schon alles auf die Beine gestellt hat: Das zweistöckige Haus, in dem er den Sommer über wohnt hat er in 5 Jahren mit seinen eigenen Händen erbaut. Ebenso eine Banja (Russische Sauna) und die Gewächshäuser, in der seine Mutter Tomaten, Gurken und Paprika anbaut. Vitali ist selbstständiger Programmierer. Ich erfahre sehr viel von ihm über das Leben in Russland, wie man hier die westliche Politik sieht und vieles mehr. Sehr beeindruckend sind für mich auch die Erzählungen von seiner Frau Ira. Sie ist Kinderärztin. Sie arbeitete einige Jahre in Norilsk, der nördlichsten Großstadt in Russland. Ausländer haben keinen Zutritt zu der Stadt, die nur mit dem Flugzeug oder Eisbrecher erreichbar ist. Zu groß ist die Angst vor Sabotageakten. Es gibt 4 unabhängige Kraftwerke. Sie versorgen die Menschen mit Wärme und Elektrizität. Würden diese nicht mehr funktionieren, wären die Menschen dort verloren: Der Winter ist lang, dunkel, windig und mit -50 Grad bitterkalt. Eine Evakuierung wäre unmöglich. Die Stadt lebt von großen Nickelvorkommen und lockt die Menschen nur aus einem Grund her: Das Gehalt ist hier vier mal so hoch wie in Irkutsk, den Urlaub auf der Krim sponsert der Arbeitgeber.
Mein Fahrrad nehme ich bei Vitali bis auf den Rahmen komplett auseinander, um es so klein wie möglich in einen Karton zu bekommen. Polstermaterial gibt es im Baumarkt. Ich telefoniere mit S7 Cargo und recherchiere Zollformalitäten und Preise, um das Fahrrad mit einer Spedition nach Deutschland zu schicken. Vitali redet mir aber Mut zu: “Lass es einfach darauf ankommen und nehm das Fahrrad mit zum Check-In. Wenn noch Platz im Frachtraum ist, werden sie es bestimmt mitnehmen”. So machen wir es dann auch, stehen um 3 Uhr morgens als erste am Check-In Schalter und stellen uns etwas blöd. Umso erstaunter bin ich, als die Dame dann ohne Gegenfragen ein paar Aufkleber auf den Karton klebt und meint, wir sollen im Büro nebenan nur noch für die zusätzlichen 25 Kilogramm bezahlen. “Das wars?”. “Kanetschna!” (Natürlich!). Es kann so einfach sein. Danke Vitali!
Und so geht es mit Zwischenstopp in Moskau innerhalb von neun Flugstunden zurück nach Deutschland. Sechs Zeitzonen, die ich durchfahren habe, ziehen in kürzester Zeit an mir vorbei. Mein Bruder holt mich am Flughafen in München ab.
128 Tage Reise liegen hinter mir. Die einstigen Sowjetstaaten Belarus, Kasachstan und Russland, waren für mich besonders beeindruckend. Einfache Lebensverhältnisse, ein hartes Arbeitsleben und eine große Gastfreundschaft. Manchmal fühlte ich mich wie auf einer Zeitreise, wenn ein Pferdewagen an mir vorbeifuhr, oder meine Einkäufe im Magazin mit dem Rechenbrett zusammenaddiert wurden. Und dann die überwältigende und endlose Weite der unberührten Natur, die es hier gibt. Ich konnte ein bisschen von der russischen Sicht auf die Welt mitbekommen. Und Probleme, die mir zuvor groß vorkamen, sind vielleicht gar nicht so tragend.
Und in diesem Punkt war ich wohl auch etwas zu pessimistisch: Von den mitgenommenen 36 Tip-Top Schlauchflicken, trage ich sage und schreibe 36 Stück wieder mit nach Hause! Null Platten hätte ich mir bei Reisebeginn nicht träumen lassen.
Ich möchte mich bei Allen bedanken, die mir bei dieser Reise geholfen haben! Zu Hause und unterwegs. Ohne die vielen hilfsbereiten Menschen in den bereisten Ländern, wäre die Tour sehr viel schwieriger und lange nicht so eindrücklich gewesen. Danke! Спасибо!
In Tübingen gibt es noch einen Überraschungsbesuch von Martin, der extra ein altes Schild von seinem Vater herausgesucht hat: “Herzlich Willkommen Daheim”
Zum Schluss würde es mich noch interessieren, wer den Blog regelmäßig/unregelmäßig gelesen hat, da ich keine Zugriffsstatistik für die Website habe. Ich freue mich über eine kurze Nachricht, auch Verbesserungsvorschläge sind herzlich willkommen! Vielen herzlichen Dank an alle Leser des Blogs, ich habe mich immer über die netten und motivierenden Kommentare gefreut!
Und DANKE Janette für den schönen Emaille-Orden mit dem “Fahrrad unterm Sternenhimmel”!
Wahnsinns Reise! Jetzt bin ich schon fast ebenso wehmütig, wie du beim Abschied vom Baikalsee, dass der Blog und dein Abenteuer hier enden! Schön, dass du gesund und munter zurück bist!
Bis die Tage, ich freu mich auf deinen Film!
Beste Grüße aus Baden-Baden
Lieber Heinrich, wir haben sehr gerne, regelmäßig und interessiert Deinen Reisebericht gelesen – schade, dass es nun vorbei ist – vielleicht können wir mal gelegentlich persönlich davon hören! Wir freuen uns aber auch, dass Du gut wieder zurückgekehrt bist und grüßen Dich herzlich, Hannelore und Hans
Hey Heinrich..
Ja schade, dass deine Tour jetzt vorbei ist, aber so wie ich dich kenne wird es wohl auch nicht die letzte gewesen sein. Lass es mich wissen, wenns dann wieder losgeht.
Es war schön, dich unterwegs getroffen zu haben.
Bis bald mal
Christian
Hallo Heinrich, hab auch ab und zu mal reingeschaut. Mir war vorher nicht klar wie schön Russland ist 😉 – Gruß Johannes
Lieber Heinrich, auch mir gehts so, dass ich es grad schade finde, keinen weiteren Bericht mehr zu lesen:), hab ganz regelmäßig hier reingeschaut, weil super spannend:)wünsch dir frohes Ankommen:) herzliche Grüße
Lieber Heinrich alias Albert, willkommen daheim – ich finde immer, dass das Schöne am Fortfahren das Nachhausekommen ist. Schade, dass du den Baikal nicht richtig geniessen konntest, das klingt ja ganz schrecklich, was du da erlebt hast. Nun wird es für dich sicher nicht ganz einfach sein, dich hier wieder zurechtzufinden und nicht jeden Tag nachsehen müssen, wohin es am nächsten Tag geht. Dafür wünsche ich dir viel Glück und wie die anderen bin ich auch gespannt, wann es dann wieder lsogeht. Ganz liebe Grüsse aus dem Odenwald Deine Annemarie alias Ami, die deinen Blog sehr gerne gelesen hat – danke für die schönen Fotos!
Hallo Heinrich,
ich habe täglich nachgeschaut, ob es einen neuen Bericht gibt.
Schade, dass es nun vorbei war, ich habe mich immer gefreut, wenn es war neues gab.
Aber auch schön, dass Du gesund zurückgekommen bist, das ist nicht immer selbstverständlich.
Es ist gut, wenn man zu den Menschen geht, um sich ein Bild von deren Situation zu machen. In unserer verrückten Welt derzeit, kann das viel helfen.
Danke für die überwältigenden Fotos und packenden Berichte.
Gruß
Andreas
Hallo Heini,
ich habe auch täglich nachgeschaut – in meinem Browser warst du die Startseite (bzw. der Blog).
Schade, dass es vorbei ist. Schön, dass du wieder heile da bist.
Bis bald und auch Grüße von den Damen!
Niko
Hi Heinrich! Mit einem lachenden und einem weinenden Auge habe ich deinen letzten Eintrag gelesen… Aber so ging es wohl allen. Hab mich so an deine Berichte gewöhnt, dass sie mir jetzt richtig fehlen werden. Vielen Dank dafür, es war interessant, spannend und aufregend! Trotzdem schön, dich gesund wieder hier zu wissen! Gglg Angela
Ich bin ein regelmäßiger Leser. Verbesserungsvorschläge: Keine, alles gut.
Hast du gemerkt, dass du Magazin geschrieben hast? Das russische Wort für Geschäft, Laden
Hallo Heinrich, Du hast uns mit tollen Berichten und Fotos an Deiner Reise teihaben lassen, herzlichen Dank dafür! Wir haben regelmäßig Deine Einträge verfolgt und freuen uns, daß Du wohlbehalten und mit Rad zu Hause angekommen bist. Herzliche Grüße aus Leipzig!
Hallo Heinrich,
Ich war auch regelmäßig auf deinem Blog und habe, mal früher, mal später alle deine Einträge gelesen.
Ich bewundere, wie tapfer, mutig und offen du das Ganze angegangen bist. Damit hast du ein unvergessliches Stück Lebenserfahrung gewonnen 🙂
Willkommen zurück in Deutschland und alles Gute für die Zukunft wünscht
Sophie
Hello Heinrich! I congratulate you come back home! Thank you for so warm and soulful notes about our rough country!
Your wonderful drink you made practically came to end, then I decided add it to my home made Schnaps, and have got a nice blend! So, the memory lanes about you prolonged!
Hallo Heinrich,
habe Deine Berichte auch regelmäßig gelesen. Zumindest bis ich selber am 02.08. mit dem Rucksack nach Italien geflogen bin. Rom, Neapel,Pompeji und Taormina habe ich schon hinter mir. Gestern war ich auf dem Ätna, über 3300m hoch und seit einer Woche mit verstärkter Aktivität. Habs tatsächlich bis zum Hauptkrater hochgeschafft. Sehr interessant, ein richtiges Abendteuer.
Viele Grüße
aus Sizilien sendet
Andreas